Die Ausstellung Arbeit. Sinn und Sorge stellt in fünf Rauminstallationen grundsätzliche Fragen an die Arbeit: Wie lassen sich Arbeit und Freizeit voneinander unterscheiden? Welchem Zweck dient Arbeit in einer kapitalistischen Gesellschaft? Wie entwickelt sich die individuelle Haltung zur Arbeit? Welche Bedeutung hat Arbeit jenseits von Macht, Geld und Anerkennung? Was sind die Optionen für die Arbeitswelt von morgen?

Die Ausstellung legt neben der Betrachtung gesellschaftlicher Entwicklungen großen Wert auf die Perspektiven des Individuums: die persönliche Sorge um den Lebensunterhalt, Befriedigung und soziale Anerkennung und nicht zuletzt die Funktion von Arbeit als sinnstiftende Tätigkeit. Sie stellt heraus, dass Nützlichkeit nicht das letzte Argument sein kann, wenn es darum geht, den Sinn von Arbeit zu verstehen; dass Bezahlung nicht das einzige Kriterium für das Tätigsein ist oder dass Bildungssysteme, die sich allein an den aktuellen Anforderungen des Arbeitsmarktes orientieren, selten von Vorteil sind. Schließlich fragt die Ausstellung nach den Möglichkeiten einer Solidargemeinschaft im lokalen und globalen Maßstab

Dabei bewegt sich die Ausstellung ganz im Hier und Jetzt und setzt vor allem auf die Kraft des bewegten Bildes. Jeder Raum wurde in enger Zusammenarbeit mit Gestaltern und Künstlern entwickelt – vom Dokumentarfilmer über Videokünstler bis hin zu Puppenspielern. Während die filmische Hauptinstallation den Räumen jeweils ein eigenes Gesicht gibt, ziehen sich drei verbindende Elemente durch den Parcours der Ausstellung: eine „Dingspur“ von fünf Objekten (Krug, Hammer, Schuh, Papier und Puppe), die sich in unterschiedlicher Form wiederholen und prägnant darstellen, wie verschieden sich menschliche Arbeit und ihre Produkte je nach Perspektive darstellt; ein Domino-Spiel mit 28 zentralen Begriffen zum Verständnis der heutigen Arbeitswelt und ein Statistikband, bestehend aus einer Fülle von statistischen Informationen gekoppelt mit individuellen Interviews, die mit 100 Menschen zum Thema Arbeit geführt wurden.

Pressestimmen

„Die Dresdner Ausstellung ist ... der kühne Versuch, mit Mitteln der multimedialen Installation möglichst alle Facetten des Themas Arbeit zu erfassen, allerdings konsequent aus der Perspektive des Individuums. Die Leitfrage nach der Bedeutung der Arbeit und ihrer Veränderung für den Einzelnen ist die theoretische, die in etwa hundert Videointerviews eingespielte authentische Erfahrung ist die dramaturgische Klammer dieser Ausstellung. Und die Klammern halten, das Konzept der Berliner Praxis für Ausstellungen und Theorie erweist seine Tragfähigkeit, je mehr der Besucher sich in die dargebotene, zunächst verwirrende Vielfalt vertieft. Man braucht Zeit für „Arbeit. Sinn und Sorge“, man muss sich Mühe geben, man wird nicht immer gleich belohnt, aber man wird auch wissender und klüger und nicht zuletzt gut unterhalten. Der Ausstellungsbesuch ist Arbeit im besten Sinne. ...
Die Ausstellung ... fordert, es klingt abgedroschen, den Besucher zum Dialog heraus, sie spricht ihn an und das im Wortsinne, wenn die hundert Zeitgenossen, die über sich und ihre Arbeit Auskunft geben von Raum zu Raum mehr und mehr zu Bekannten werden, denen man seinerseits von den eigenen Erfahrungen erzählen würde. Es wären manche Einzelinstallationen hervorzuheben, Beispiele des Gelingens der Übertragung einer Idee oder eines theoretischen Begriffs in ein Bild. Das beginnt mit dem schönen Einfall, den Besucher mit dem Präparat eines Faultiers und dem Gesumme eines Bienenstocks zu empfangen.“
DIE WELT 27|06|09

„Die Sonderausstellung ... setzt hier an, sehr zeitnah, sehr direkt und bemerkenswert offen: „Der Mensch hat seine Not mit der Arbeit.“ Fünf Rauminstallationen stellen grundsätzlich Fragen an Zwecke, Bedingungen und Sinn von Arbeit und Nichtarbeit in kapitalistischen Gesellschaften und endlich an deren Zukunft. Diese Sicht auf die gesellschaftlichen Prozesse wird durchgehend individuell begleitet, grundiert und gebrochen. ...
Im Maschinen-Raum arbeitet das Kapital oder auch nicht. An Säulen und Wänden wiederholen Filmsequenzen die Glücksversprechen, Erfolge und Niederlagen der Wohlstandsgesellschaft, sortiert nach Themen und Jahren. ...
Der Übungs-Raum thematisiert das Hineinwachsen in Arbeit und Beruf von Kindesbeinen an. Häufig ist ein monotones Nein und seltener ein Ja zu hören. Was willst Du werden, fragte die Filmemacherin Bärbel Freund 1990 ihren jüngeren Bruder: Kapitän? Nein! Warum nicht? Das Abfragen des Katalogs der Ausbildungsberufe dauert eine Stunde. Konkrete Arbeitswelten entfalten sich in den großflächigen Videoprojektionen des Werk-Raums. Sie zeigen Gefüge und Gelingen, die Intensität im Arbeitsleben der Kassiererin, des Chirurgen, Gärtners, Managers. Es kann gut gehen, vielleicht weil es muss.
Sehr gegenwärtig wird die Arbeit der Zukunft im Welt-Raum verhandelt. Kernstück hier eine Klang-Bild-Collage. Statements von Politikern, Wirtschaftsfunktionären, Gewerkschaftern zu Themen wie Globalisierung, Geld, Gerechtigkeit sind Talkshows entnommen ... Mimik, Körpersprache und Aussage, rechtschaffene Empörung und verlogene Verteidigung der Privilegierten erhellen in ihrer Isolierung wie Häufung die Verhältnisse. Eine exzellente Arbeit und, wie die Ausstellung insgesamt, ein gut durchdachtes Stück Ideologiekritik.“
Sächsische Zeitung 25|06|09

Die sogenannte Erwerbsarbeit, zumal die auf «Vollzeitstellen» und arbeitslebenslänglich geleistete, hat ihren Status, der Normalfall zu sein, längst und wahrscheinlich unwiderruflich eingebüsst. Gleichwohl spielt sie in unserer Gesellschaft noch immer ihre Rolle als Norm und Richtschnur. Man kann solches Festhalten an einem Auslaufmodell auch als einen Mangel an soziologischer Phantasie beschreiben.
Ebendiese Phantasie anzuregen, ist nicht die geringste Wirkung, die die ambitionierte Dresdner Ausstellung „Arbeit, Sinn und Sorge“ haben könnte. Allerdings sollte niemand, der das Deutsche Hygiene-Museum betritt, glauben, die eigene Phantasie in Gang zu setzen, sei — um noch einmal Marx zu zitieren — blosser Spass. Wer es dennoch glaubt, wird es nicht mehr glauben, wenn er das für seine ungewöhnlichen Expositionen bekannte Museum wieder verlässt...
Den Statistiken ist als Ergänzung, aber auch als Widerlager das vielleicht aufschlussreichste, jedenfalls beeindruckendste «Exponat» beigegeben: Interviews mit über hundert Personen verschiedensten Alters und aus verschiedensten sozialen Milieus. Die Gefilmten antworten auf vielerlei Fragen: Wann stehen Sie morgens auf? Was tun Sie, wenn Sie nicht arbeiten? Kennen Sie Langeweile? Würden Sie arbeiten, wenn Sie nicht drauf angewiesen wären? Was stört Sie am meisten an Ihrer Arbeit? Was mögen Sie an Ihrer Arbeit? Und so weiter und so fort. Ein Zeitdokument, das die Vielfalt der Berufsschicksale und Existenzformen der Gegenwart unaufgeregt sympathetisch vor Augen führt und dem Zuschauer die Sorge nimmt, es sei unwürdig, nur einer unter vielen zu sein.
Neue Zürcher Zeitung 01|02|10

„Was aber genau ist Arbeit, wofür steht sie, was löst sie aus, wofür ist sie gut? Entlang dieses Frage-Bogens ist die Schau konzipiert. Eindeutige Antworten sind nicht zu erwarten und auch nicht zu bekommen. Dafür werden zahlreiche Denkansätze und Argumentationen geliefert, die in ihrer Vielfalt die facettenreiche Wirklichkeit der Arbeit spiegeln, die sie in unserem Leben nun einmal einnimmt. ...
Man habe Leitmotive gesucht, weg von der Eindimensionalität der Arbeit als Erwerbstätigkeit und auch weg von politisch geprägten Expertendiskursen, umreißt Kurator Daniel Tyradellis den Grundgedanken der Ausstellung. Das darf zweifellos als geglückt bezeichnet werden.“
Dresdner Neueste Nachrichten 25|06|09

„Noch nie war in den letzten Jahren ein dermaßen dicker, schwerer Katalog nach Hause zu tragen aus einer Ausstellung des Dresdner Hygiene-Museums. „Arbeit“ ist eine Materialsammlung, ein beeindruckendes Dokument des Arbeitsprozesses der Ausstellungsmacher, „Arbeit“ zerrt an den Armen auf dem 20-minütigen Weg zum Hauptbahnhof, „Arbeit“ ist noch lang nicht ausgelesen in den vielen Zugstunden nach Frankfurt/Main. ...
Die Dresdner Ausstellung besticht ... durch die vielen kleinen Anregungen, die sie gibt, die Anstöße, Erinnerungen, Richtigstellungen. Sie zeigt einen Grabstein, auf dem in vermutlich rühmender Absicht steht: „Dein Leben war Arbeit.“ Eine Wertpapier-Abrechnung vom 11.2.00, gekauft wurden T-Aktien. Eine frühe Espressomaschinen-Werbung, auf dass nur ja der Büroschlaf keine Chance habe. Eine 1949-Heute-Tabelle, der zu entnehmen ist, dass man für einen Liter Superbenzin 1949 im Schnitt 14 Minuten arbeiten musste, heute nur 6. Das führt die regelmäßige Empörung des 85-jährigen Bekannten über die Benzinpreise auf die Vergesslichkeit des Menschen zurück.“
Frankfurter Rundschau 30|07|09

„Was die Ausstellung aber besonders interessant macht, sind die vielen Menschen, die zu Wort kommen. Überall sind kleine Bildschirme mit Hörmuscheln, an denen sich Leute über ihre Arbeit äußern: warum sie Schornsteinfeger, Schiffsführer oder Lehrer sind, ob sie mit ihrer Arbeit die Welt verändern wollen oder sich selbst verwirklichen, ob sie zu viel Arbeit haben, zu wenig – oder gar keine. Interviews mit 100 Personen haben die Ausstellungsmacher Nicola Lepp und Daniel Tyradellis von der Praxis für Ausstellungen und Theorie führen lassen. Sie geben tiefen Einblick in eine veränderte Arbeitswelt.“
Frankfurter Rundschau, 28|04|12

„Ein Band von Statistiken durchzeiht die Schau – keine langweiligen Zahlen, sondern zuweilen verblüffende Kurven und Säulen, die der Besucher anhand von Drehknöpfen und Lichtsignalen beeinflussen kann.“
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Rhein-Main-Zeitung, 30|04|12

Eine Ausstellung des Deutschen Hygiene-Museums Dresden im Programm "Arbeit in Zukunft" der Kulturstiftung des Bundes, kuratiert von der Praxis für Ausstellungen und Theorie [ Hürlimann | Lepp | Tyradellis ]

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Gefördert von der Bundesagentur für Arbeit


Bilder

Daten und Fakten:

Initiativprojekt der Kulturstiftung des Bundes im Deutschen Hygiene-Museum Dresden und im Senckenberg Naturmuseum in Kooperation mit dem Historischen Museum Frankfurt

Ausstellungsfläche Hygiene-Museum Dresden: 1.100 qm
Ausstellungsfläche Senckenberg Naturmuseum Frankfurt: 900 qm

Besucher Dresden: 90.000

Dresden: 24|06|09 - 11|07|10
Frankfurt: 02|05|12 - 16|09|12

Konzept und Realisierung:
Praxis für Ausstellungen und Theorie

Gestaltung:
chezweitz & roseapple, Berlin

Installationen:
ART+COM AG, autokolor, Anna Henckel-Donnersmarck, Leonidafilm, Theo Thiesmeier, Atelier Video Noir. Ideen und Konzepte aller Installationen: prauth


Links:

www.arbeitsausstellung.de
Hygiene-Museum Dresden
Kulturstiftung des Bundes
Senckenberg Naturmuseum


Team:

Idee, Konzeption und Dramaturgie:
Annemarie Hürlimann, Nicola Lepp und Daniel Tyradellis

Ausstellungsleitung:
Nicola Lepp und Daniel Tyradellis

Adaption Senckenberg Naturmuseum und Tierspur:
Nicola Lepp und Nina Wiedemeyer

Projektmanagement:
Vanessa Offen

Wissenschaftliche Mitarbeit:
Christina Vagt, Nina Wiedemeyer

Praktikanten:
Ute Famulla, Jakob Billmayer, Aiko Wulff, Henriette Keppler